Kurzinformation "Projektorientierter
Gemeindeaufbau"
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"Veröffentlichungen"
Dr. Alfred Seiferlein
"Kirche auf Zeit - (k)eine Möglichkeit"
1. Die Projektidee im
Gemeindeaufbau/bei der Gemeindeentwicklung:
Der
"projektorientierte Gemeindeaufbau" ist ein
Versuch, in theologisch verantwortlicher Weise
auf den veränderten Lebensrhythmus und das
Bindungsverhalten moderner Menschen zu
reagieren.
- Die
"Vereinskirche" mit ihren Gruppen und
Kreisen spricht nur einen verhältnismäßig
kleinen Teil der Gemeindeglieder an.
- Die große
Kasualgemeinde, die Getauften ohne
regelmäßigen Kontakt zur Gemeinde, die
Ausgetretenen und die Ungetauften lassen
sich nur über andere Arbeitsformen
erreichen, die ihrem Bindungsverhalten
entsprechen.
- Die
christliche Gemeinde besitzt durch den
Auftrag ihres Herrn eine Bringschuld, das
Evangelium weiterzusagen. Viele Menschen
verlieren irgendwann durch äußere
Lebensumstände den Kontakt zu ihrer Gemeinde
- oder sind durch die Konzentration auf die
berufliche Karriere, durch
Freizeitgestaltung und Familienleben gar
nicht in die Nähe der Kirche gekommen. Zwar
gibt es zahlreiche Angebote, aber von sich
aus findet kaum einer einen Zugang zu den
traditionellen Arbeitsformen.
- Die
christliche Gemeinde muß den ersten Schritt
auf die fernstehenden Getauften zugehen,
persönlich einladen zu einer Arbeitsform, in
der das Verhältnis von Nähe und Distanz ein
Ausscheiden nach absehbarer Zeit ohne Zwänge
ermöglicht.
Der
"projektorientierte Gemeindeaufbau" trifft eine
konzeptionelle Grundentscheidung und wendet sich
betont den distanzierten Kirchengliedern zu. Die
Kompetenz der Fernstehenden ist für die Kirche
Jesu Christi lebensnotwendig. Sie sind die
Fachleute für das Leben in der modernen Welt.
Die vorhandene Kerngemeinde verliert durch die
latente Gegenwart und Beteiligung der
distanzierten Gemeindeglieder in den Projekten
ihre Exklusivität. Traditionelle Kirchlichkeit
bleibt nicht die einzige Erscheinungsform der
christlichen Gemeinde.
2. Grenzen der Projekte:
- Grenzen
bestehen für den "projektorientierten
Gemeindeaufbau" in der Berücksichtigung des
sozialen Kontextes der teilnehmenden
Gemeindeglieder.
- Das
Kriterium der heterogenen Zusammensetzung
wirkt zwar durch die Wahrnehmung
verschiedener Sichtweisen bereichernd,
umgekehrt aber kann auf die Situation des
einzelnen nicht detailliert eingegangen
werden.
- Menschen
in aktuellen Krisensituationen muß von einer
Teilnahme abgeraten werden.
- Obwohl die
Projekte auf Wiederholung mit anderen
Teilnehmern und einem neuen Leitungsteam -
nach einem zeitlichen Zwischenraum -
angelegt sind, können sie dennoch keine
Dauerstruktur für Gemeinden sein.
- Die
Menschen in einer Gemeinde, die weiterhin
nach einer kontinuierlichen Arbeit mit
festen Gruppen und Kreisen suchen, haben ein
Bleiberecht, sie dürfen nicht dauernd mit
ihren Wünschen nach Heimat, Ruhe und Schutz
in den Hintergrund treten. Die distanzierten
Kirchenglieder besitzen kein generelles
Vorrecht gegenüber den treuen traditionellen
Gemeindegliedern.
3. Legitimität von
Kirche auf Zeit:
Die Bemühungen
um eine "Kirche auf Zeit" werden
verschiedendlich heftig kritisiert: Manfred Seit
z.B.schreibt: "Ich lese in Apostelgeschichte
2,37-40, daß der Hl. Geist die Getauften
'hinzugetan` habe, so daß sie 'beständig in der
Apostellehre und in der Gemeinschaft und im
Brotbrechen und im Gebet` blieben." Ähnlich
äußerte sich E. Winkler in der Theologischen
Literaturzeitung. Für mich hat Gerd Theißen in
seiner Soziologie der Jesusbewegung überzeugend
herausgearbeitet, daß es bereits im NT
gleichberechtigt nebeneinander unterschiedliche
Bindungsformen zur Gemeinde gegeben hat, ohne
daß eine davon als defizitär gebrandmarkt worden
wäre. Weitere neutestamentliche Untersuchungen
und systematische Beiträge zur Frage "Gemeinde
auf Zeit" wären allerdings für die kybernetische
Diskussion sehr hilfreich.
4. Die Projekte eröffnen
Chancen:
* Die
Projekte verbinden Glauben und Leben und
zeigen exemplarisch, wie christliche
Lebensgestaltung sich vollziehen kann.
* Die
Projekte verbinden Spiritualität mit
Glaubensinhalten. Glaube wird im Vollzug
eines Projekts für die Teilnehmer erfahrbar.
* Die
Projekte zeichnen sich durch ihre
volkskirchliche Offenheit aus. Verschiedene
Frömmigkeitsformen können gleichberechtigt
nebeneinander stehen. Die Pluralität der
Formen wird als Bereicherung empfunden.
* Die
Projekte eröffnen fernstehenden
Gemeindegliedern einen über eine punktuelle
Berührung hinausgehenden zeitlich begrenzten
Kontakt mit ihrer Kirchengemeinde. Die
Distanz wird reduziert.
* Die
Projektarbeit ermöglicht eine
Gemeinschaftserfahrung ohne Zwang zu einer
langfristigen Verpflichtung.
* Mit einem
Projekt entdecken Kirchengemeinden neu die
Menschen in ihrem Umfeld als Adressaten des
Evangeliums.
5. Ausblick
Der
"projektorientierte Gemeindeaufbau" ist eine
konkrete kirchengemeindliche Arbeitsform,
die in der gegenwärtigen volkskirchlichen
Situation eine angemessene Antwort auf die
gesellschaftlichen und individuellen
Veränderungen darstellt. Er ist
verheißungsorientiert, weil er die Relevanz
des christlichen Glaubens für das
alltägliche Leben und die Identität des
Glaubens zusammenbringt. Und er ist wie kaum
eine andere Gemeindeaufbaukonzeption durch
die Projekte "gottesdienst LEBEN", "neu
anfangen - Christen laden ein zum Gespräch"
und "Wort und Antwort" erprobt.
Literaturhinweis:
Alfred Seiferlein: Projektorientierter
Gemeindeaufbau, Gütersloher Verlagshaus, 2.
Auflage 1996, 224 Seiten, 19,80 DM
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